Michael Nasts „Generation beziehungsunfähig“ war einer der erfolgreichsten deutschen Online-Texte des Jahres 2015 und wurde in der ersten Woche von über einer Million Menschen gelesen. Mit seinen gleichnamigen Bestseller löste er eine landesweite Kontroverse über die vermeintliche Liebesunfähigkeit der Generationen Y aus. Wir kontrastieren diesen Bericht mit John Gottmans "Die sieben Geheimnisse einer glücklichen Ehe". Der amerikanische Professor für Psychologie behauptet, dass er schon nach 5 Minuten, die er einem Ehestreit zuhört, voraussagen kann, ob die Beziehung halten wird.
Der Kolumnist Nast bezeichnet sich selbst als „Beobachter und Erzähler“. Er versteht sein Buch nicht als Ratgeber. Viele Leser schrieben ihm aber, er hätte ein vages Gefühl, das sie beschlich, in Worte gefasst. Als Therapeut:innen lernen wir etwas über Lebensgefühl der 1975er Generation, die offenbar auch mit 40 Jahren noch stark mit sich selbst beschäftigt ist und dadurch beziehungsunfähig. Nast kritisiert zwar den Narzissmus und die Selbstinzinierung, die innere Leere und die Unfähigkeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Aber ganz oft schiebt er die Verantwortung dafür auf „das System“. So schreibt er
„Egoismus, kompromisslose Selbstverwirklichung, das Denken in Idealzuständen, also das Streben nach Perfektion, die Unverbindlichkeit in Freundschaften und Beziehungen – das sind alles Anforderungen, die das System sich wünschen würde, damit wir bestmöglich funktionnieren.“ (S. 236)
Als Kinder der geburtenstarken 1960er Generation wundern wir uns. Warum fällt es der Generation Y und auch unseren Kindern der 1990er Jahre zunehmend schwerer, Verantwortung zu übernehmen? Ist sie wirklich so beziehungsunfähig wie Nast sie beschreibt? Und welchen Anteil haben wir daran als Eltern?
Kritik, Verachtung, Rechtfertigung und Mauern – das sind die "vier apokalytischen Reiter", die laut John Gottman anzeigen, dass eine Ehe oder Beziehung in Gefahr ist. Das hat der Psychologe in mehr als 16 Jahren mit seinem "Ehelabor" beobachtet. Paare verbringen ein Wochenende in einem als Wohnung eingerichteten Labor. Sie werden gefilmt, während sie sich streiten. Tauchen die apokalyptischen Reiter auf? Werden „Rettungsversuche“ unternommen? Bemerkt der andere Partner den Versuch zur Deeskalation? Wie hoch ist der Stress-Level (Herzfrequenz, Cortisol-Spiegel) bei Männern im Vergleich zu Frauen?
Was sind die Geheimnisse einer glücklichen Ehe? Gottman räumt mit der weit verbreiteten Vorstellung auf, dass verbesserte Kommunikation allein eine Ehe rettet. Sie ist zwar ein wichtiger Bestandteil, aber Gottman hat noch weitaus mehr zu bieten: Die "Partnerlandkarte" auf den neusten Stand bringen. Sich zuwenden und füreinander interessieren. Zuneigung zeigen. Lösbare Probleme lösen und mit unlösbaren Frieden schließen. Gemeinsame Werte und gemeinsamer Sinn.
Das Buch enthält viele Tests in Form von Fragen, an deren Beantwortung man ablesen kann, wie es im bestimmten Bereichen um die eigene Ehe oder Beziehung steht. Darauf folgen praktische Übungen. Es geht etwa um Erfahrungen in der Herkunftsfamilie und wie sie uns gegenwärtig prägen. Oder um Rollenverständnis, Rituale und Werte. Die „magischen fünf Stunden“, die Paare einander wöchentlich widmen sollten, um ihre Beziehung zu pflegen, vereinen alle 7 Geheimnisse. Zusätzlich gibt er Paaren ein Frühwarnsystem mit, den „Ehe-Stinkbomben-Detektor“. Das Buch ist ein wunderbarer praktischer Leitfaden für Therapeut:innen und Paare, die ihre Beziehung dauerhaft verbessern möchten.
Podcast Stahl aber herzlich, Folge: Generation beziehungs(un)fähig mit Michael Nast
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